Redebeitrag von Stephanie Steichele-Guntrum / FDP-Kreistagsfraktion zur zukünftigen Organisation der Abfallentsorgung
14. Oktober 2022
Sehr geehrte Frau Landrätin, werte Beigeordnete, Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des EB Mainz und des AWB Mainz-Bingen, liebe Bürgerinnen und Bürger,
seit Beginn der Diskussion um die zukünftige Organisation der Abfallentsorgung im Landkreis Mainz-Bingen ist die Position der FDP klar und eindeutig.
Wir sind gewählte Vertreter der Bürgerinnen und Bürger des Landkreises und deren Interessen verpflichtet.
Unser oberstes Ziel im Hinblick auf die zukünftige Organisation der Abfallentsorgung war und ist deshalb, dass unsere Gebührenzahler in Mainz-Bingen nicht schlechter gestellt werden dürfen,
- was die Qualität der Entsorgung
- und die zukünftig fälligen Kosten dafür betrifft.
Ich erinnere mich, dass dies zu Beginn des Prozesses einmal Konsens aller Beteiligten war.
In der Werksausschusssitzung vom 5.10.2020 wollten wir durch eine geeignete Neuorganisation 8% Gebührensteigerungen, durch das Anfallen von damals ca. 1 Mio USt. auf das Gebührenvolumen verhindern.
Dies wurde untermauert von Herrn Kopf vom Beratungsunternehmen Dornbach, der damals klar die Leitplanken für die zu generierende Lösung genannt hat: „Die Prämisse für eine zukünftige Lösung muss sein, dass die Kosten für die Gebührenzahler in jedem Fall stabil bleiben“
Nachdem die FDP in den vergangenen zwei Jahren mit dem Verweis auf diese Prämisse ein relativ einsamer Rufer in der Wüste war, haben sich die Landrätin und die CDU hier ebenfalls dafür positioniert. Danke dafür.
Leider ist von der Bedingung der Gebührenstabilität für den Landkreis bei anderen Teilen dieses Gremiums keine Rede mehr. Im Gegenteil wird völlig selbstverständlich mit großen Zahlen jongliert, die „dann eben anfallen“, wenn man den „guten, sicheren Weg“ mit der Stadt Mainz weitergehen möchte. Da sind deutlich höhere Gebührensteigerung als 8% plötzlich nicht mal mehr erwähnenswert.
Mit keiner Silbe erwähnen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen dabei:
- wer diesen Weg zu tragen hat, die Gebührenzahler im Landkreis
- welche Unsicherheiten und Gestaltungseingriffe der vermeintlich sichere gewohnte Weg für den Landkreis birgt:
– Wie wird das Personal des AWB aus dem Landkreis zukünftig wo eingesetzt?
– wie groß sind der Einfluss, das Mitspracherecht und die Gestaltungsoptionen des Landkreises auf die Abfallentsorgung als Teil einer neuen Gesellschaft, deren Mehrheit die Stadt Mainz mit 53 zu 47% der Anteile hält - Dazu blenden Sie scheinbar gänzlich aus, dass das Personal auf beiden Seiten mehrheitlich nicht in eine neue Gesellschaft wechseln möchte. Dies wurde durch unseren Personalrat mehrmals klar artikuliert und die Mitarbeiter des AWB und des EB Mainz haben hier bereits mehrfach gegen die AöR demonstriert.
Gerade auch die Mitarbeiter in Mainz, für die Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen Verantwortung proklamieren, wollen zum größten Teil keinen anderen Arbeitgeber. Bitte, verehrte Kolleginnen und Kollegen, drehen Sie sich um und sehen Sie den Mitarbeitern des EB Mainz in die Augen.
Sie stehen hier fest und sind sich ihrer Rechte sehr bewusst, auch wenn ihr oberster Dienstherr hier immer wieder offen Drohgespenster von Arbeitsplatzverlusten an den Himmel malt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nicht nur, dass Sie diese harten Fakten nicht sehen wollen.
Sie selbst haben im Juni einen Letter of Intent mit der Stadt Mainz unterschrieben.
Die FDP hat – nur zur Erinnerung – damals einen solchen LOI zu diesem Zeitpunkt abgelehnt. Die Begründung war, dass wir an dieser Stelle im Verfahren, im Juni 2022 keine Absichtserklärungen mehr brauchen, sondern belastbare, entscheidungsreife Ergebnisse.
Mehrheitlich wurde dieser LOI auf den Weg gebracht, mit eindeutigen Anforderungen an die zu erarbeitenden Entscheidungsgrundlagen:
- Das Vorliegen eines Wirtschaftsplans für die neu zu errichtende Gesellschaft und
- Die Bereitschaft des Personals in die neue Gesellschaft zu wechseln.
Beides sollte, von beiden Partnern schriftlich niedergelegt, bis Ende September 2022 vorliegen. Nichts von beidem liegt bislang vor.
Die grundlegenden, verabschiedeten Entscheidungsbedingungen für die Errichtung einer AöR liegen bis heute nicht vor.
Allein deshalb müssen wir uns heute für die Ausschreibung entscheiden, wie wir es am 10. Juni für diesen Fall einstimmig verabschiedet haben.
Wenn wir die Ausschreibung heute nicht auf den Weg bringen, haben wir
- Keine Chance mehr, die Leistungen ab 2024 bei der privaten Entsorgungswirtschaft einzukaufen, da der zeitliche Vorlauf mindestens 1 Jahr beträgt und wir heute schon mehr als knapp unterwegs sind.
- Begeben wir uns als Landkreis Mainz-Bingen für die Abfallentsorgung ohne Rückfalloption vollständig in die Hände der Stadt Mainz, da wir keinerlei Verhandlungsspielraum mehr haben.
- Handeln wir bewußt gegen die Interessen der Mitarbeiter bei unserem AWB und einem Großteil der Mitarbeiter des EB Mainz.
- Und dies alles zu einem Kostenrahmen, der ohne die 19% Umsatzsteuer, die wir zu Beginn des Prozesses „sparen wollten“ geschätzt weit über 1 Mio. EUR mehr beträgt als heute
Die FDP Kreistagsfraktion kann und will das nicht verantworten. Wir stehen zu unserer Handlungsprämisse von Anfang an.
Wir stimmen deshalb heute für die Ausschreibung der Abfallentsorgung am Markt ab 2024,
für die Bürgerinnen und Bürger im Landkreis,
für die Mitarbeiter des AWB und des EB Mainz.
Vielen Dank.