FDP-Kreistagsfraktion Mainz-Bingen
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Redebeitrag von Helga Lerch / FDP-Kreistagsfraktion zum Haushalt 2024


23. Februar 2024

Frau Landrätin, meine Damen und Herren,

die Zukunft ist nicht die Verlängerung der Vergangenheit. Dieser Satz trifft in besonderem Maße auf den Kreishaushalt 2024 zu, den wir in diesem Jahr – wie wir meinen viel zu spät – im Februar verabschieden.

In der Vergangenheit waren wir gewohnt, politische Initiativen einzubringen und gestalterisch tätig zu werden. Über etliche Jahre blieb das Kreisumlageaufkommen auf dem sensationell niedrigen Stand von 32,5 Prozentpunkten. Bereits im letzten Jahr mussten wir uns davon verabschieden, um dann in 2024 noch einmal um 1,75 Prozentpunkte zuzulegen.

Die Ursachen dafür sind zahlreich. Die Steuerkraft bei der Gewerbesteuer ist zurückgegangen, die Personalaufwendungen sind deutlich gestiegen und die Steigerungen im Kita-Bereich exorbitant. Im Bereich der Jugendhilfe und des ÖPNV sind die Ausgaben ebenfalls gestiegen. Auch das Landesfinanzausgleichsgesetz, das uns bereits in 2023 mit 25,6 Mio Euro belastete, trägt zu der allgemeinen Finanzierungslücke bei – obwohl wir bei der Schlüsselzuweisung B wieder 3,23 Mio Euro in 2024 erhalten.

Folglich haben wir eine Finanzierungslücke, die nur durch den Rückgriff auf die liquiden Mittel  aufgefangen werden kann. Dennoch reichen diese nicht aus, um die Kreisumlage stabil zu halten. Verständlich, dass dies nicht auf Wohlwollen der Kommunen im Landkreis stößt.

Systemisch liegt nach Meinung der FDP-Fraktion hier einiges im Argen. Da der Landkreis nicht über eigene Einnahmen verfügt, ist er auf die Kreisumlage angewiesen und belastet damit die Kommunen. Der Landkreis wiederum ist nach Art. 49 Abs. 4 und 5 der Landesverfassung von Rheinland-Pfalz davon abhängig, dass das Land seiner Konnexitätsverpflichtung nachkommt. Das Land „hat Bestimmungen über die Deckung der Kosten zu treffen; dies gilt auch bei der Auferlegung von Finanzierungspflichten. Führt die Erfüllung dieser Aufgaben und Pflichten zu einer Mehrbelastung… ist ein entsprechender Ausgleich zu schaffen.“ Schauen wir uns daraufhin einmal das sogenannte Kita-Zukunftsgesetz an. Der Rechtsanspruch über sieben Betreuungsstunden verbunden mit dem Ausbau der Ganztagsbetreuung bedingt einen Mehrbedarf an Personal und Sachkosten. Die Landeskosten sind jedoch festgeschrieben. 8,7 Mio Euro muss der Kreis zusteuern, um das Landesgesetz umsetzen zu können. Und es wären noch höhere Kosten einzuplanen, wenn wir ausreichend Personal in den Kitas hätten. Das kann nicht der Sinn von Konnexität sein – hier verlagert das Land Kosten auf den Kreis und auch auf die Kommunen, die wiederum schauen müssen, wo sie bleiben.

Bei der Eingliederungshilfe treten die Landkreise zu 100% mit den Leistungen in Vorleistung, und bekommen zeitversetzt 50% von Land erstattet. Die Mehraufwendungen der Landkreise werden billigend vom Land in Kauf genommen.

Wir appellieren deshalb an die Verantwortlichen: Übernehmen sie endlich finanzielle Verantwortung für Gesetze, die kommunale Relevanz haben und zahlen sie dort, wo Konnexität gegeben ist.

Um in Zukunft einen Haushalt von der ADD genehmigt zu bekommen, müssen wir uns auf die Pflichtaufgaben konzentrieren. Das heißt im Klartext, dass wir Abschied nehmen müssen von vielen sinnvollen freiwilligen Leistungen, wie z.B. jetzt von der lange praktizierten Ehrenamtsförderung oder der Finanzierung unserer 4 kommunalen Musikschulen. An dieser Stelle sei noch eine Randbemerkung erlaubt: Die Musikschulen wurden erst mit einer Mail vom 21.02.2024 über die Mittelkürzungen informiert – und das auch nur, weil ich bei der Kreisverwaltung nachgefragt hatte. Frau Landrätin, Sie haben eine Verpflichtung die Einrichtungen zu informieren, die von den Mittelkürzungen betroffen sind – und zwar so früh wie möglich. Auch diese Einrichtungen müssen planen und das erst recht, wenn die Geldmittel geringer werden. Gerade als Bildungslandkreis haben wir eine sehr ernst zu nehmende Verpflichtung wenn Bildung zurückgeschraubt wird.  

Doch jetzt weiter in der Haushaltsrede, in der ich unseren Kämmerer zitieren möchte, der am 6. Dezember 2023 in der AZ formulierte: „Wir haben kein Einnahme- sondern ein Ausgabeproblem“. Will heißen, die Ausgaben explodieren zum Teil erheblich, ohne dass es dafür Kompensationen gäbe. Als Beispiel möchte ich die Kostenentwicklung bei der Heimerziehung nach § 34 SGB VIII anführen. Lag der Satz pro Kind und Monat in 2019 noch bei 4.254 Euro, liegt er jetzt in 2024 bei 7.548 Euro. 

Eingangs kritisierte ich die späte Verabschiedung des Kreishaushaltes in diesem Jahr. Die kommunalen Verwaltungen müssen Planungssicherheit haben, und dies nicht erst im Februar. Deshalb unser Appell an die Kreisverwaltung: Dies darf nicht zur Regel werden, der Dezember ist der Monat, in dem wir Entscheidungen treffen müssen nicht der Februar.

Ich fasse zusammen: Unser Haushalt hat sich aus den genannten Gründen verschlechtert. Unsere Liquidität fließt komplett ab, die Kreisumlage muss erhöht werden. Rückstellungen bei Pensionen können nur noch als Pflichteinlage erfolgen. Freiwillige Leistungen müssen zurückgeschraubt werden.

Was heißt das für unser politisches Handeln in der Zukunft? Wir müssen die Balance finden zwischen sinnvollem Sparen auf der einen Seite und kreativem politischem Handeln, um nicht den Anschluss zu verlieren. Das ist eine Mammutaufgabe – aber nur weil man es sich nicht vorstellen kann, heißt es nicht, dass es auch nicht möglich ist.  

Wir als FDP-Fraktion werden uns bei diesem Haushalt der Stimme enthalten. Wir wollen damit auch ein Zeichen setzen – auch in Richtung Land – dass wir ein neues Veränderungs- und Verantwortungsbewusstsein erwarten. Aber auch in Richtung Kreisverwaltung, um notwendige Synergien effektiver und zeitnaher zu steuern. Hier ist noch viel Luft nach oben.

Vielen Dank.

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