Redebeitrag von Helga Lerch / FDP-Kreistagsfraktion zum Haushalt 2017
16. Dezember 2016
Sehr geehrter Herr Landrat, meine Damen und Herren,
wieder einmal neigt sich ein Haushaltsjahr zu Ende und wir planen für
die Zukunft. Wieder einmal haben wir im Landkreis Mainz-Bingen allen
Grund mit den Haushaltseckdaten zufrieden zu sein. Wir waren und werden
auch in Zukunft in der Lage sein, eine solide und zukunftsorientierte
Politik für die Menschen in unserem Landkreis zu machen.
Dies liegt wesentlich daran, dass das Kreisumlageaufkommen im
Vergleich zum Vorjahr noch einmal um rund 4 Mio. Euro gestiegen ist.
Sollte allerdings das Kreisumlageaufkommen in der Zukunft sinken, so
werden die Schulden rasant steigen. Dies zwingt alle Fraktionen zum
Maßhalten. Aktuell ist der Kreis Mainz-Bingen attraktiv. Die
Einwohnerzahlen steigen im Gegensatz zum Landesdurchschnitt und die
Arbeitslosenquote liegt bei herausragenden 3,8%.
Durch die zum Teil seit vielen Jahren im Bereich der freiwilligen
Leistungen bewilligten Förderungsprogramme – an erster Stelle sei hier
die Ehrenamtsförderung genannt – hat der Landkreis bis hinunter zur
kleinsten Ortsgemeinde eine gute Infrastruktur. Auch das
Sportstättenprogramm, das Kita-Programm und neuerdings die
Demografieförderung sollen in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt
bleiben.
Mit dem bis zum 31.12.2017 ausgewiesenen Kassenbestand von
3,4 Mio. Euro können wir allerdings nicht – wie in 2016 fast schon
gewohnheitsmäßig – liquide Mittel zur Finanzierung außerordentlicher
Maßnahmen heranziehen. Hier ist Haushaltsdisziplin gefordert. Die FDP-Fraktion
appelliert daher eindringlich an die anderen Fraktionen,
Deckungsvorschläge nicht – wie jetzt schon wieder bei den vorliegenden
Anträgen geschehen – über liquide Mittel laufen zu lassen. Eigentlich
müssten uns die außerordentlichen finanziellen Belastungen, die im
Nachtrag im Oktober über liquide Mittel ausgeglichen werden mussten,
eines Besseren belehren. Deshalb für die Zukunft: Finger weg von den
liquiden Mitteln!
Und nun zur Schuldensituation im Landkreis. Die Rückzahlung der noch
verbliebenen Schulden von 2,46 Mio. Euro ist erfolgt. Damit sind wir als
einziger Landkreis im Lande Rheinland-Pfalz schuldenfrei.
Auch im Bereich der Pensionsrückstellungen– sind wir auf einem guten
Weg und könnten 2021 das verpflichtende Ziel erreicht haben. In anderen
Landkreisen werden Pensionsrückstellungen, Personal- und Sachausgaben
teilweise über Kassenkredite finanziert, was haushalterisch sehr
kritisch gesehen werden muss.
Derzeit fehlen noch ca. 205 Plätze in unseren Kindertagesstätten. Wenn
– wie geplant 12 weitere Gruppen eingerichtet werden, wird auch hier
der Bedarf gedeckt sein. Damit ist ein weiterer Anziehungspunkt für
junge Familien gegeben.
Und wenn wir über das Kindergartenalter hinaus in Richtung Schule
denken, so kann auch hier der Landkreis Beachtliches vorweisen.
An insgesamt 8 kreiseigenen Schulen werden in 2017 entweder Umbauten
im Bestand oder Ergänzungsbauten bzw. Sanierungen vorgenommen.
Nicht einverstanden sind wir als FDP-Fraktion
allerdings mit den Planungen für ein Parkhaus am Gymnasium Oppenheim in
Höhe von 1 Mio. Euro. Befestigen Sie die benachbarte Festwiese, die sich
in unmittelbarer Nähe zur Schule befindet. Mit sehr viel weniger Geld
werden Sie, Herr Landrat, sehr viel mehr Zustimmung erhalten. Denn weder
die Anwohner noch die Schule selbst sind von den Parkhausplänen
begeistert. Wenn dann noch bekannt wird, dass Sie von den Schülerinnen
und Schülern und von den Lehrerinnen und Lehrern pro Monat und
Stellplatz 15 Euro einkassieren wollen, dann dürfte der Protest
unüberhörbar werden. Es würde sich im Jahr pro Person um eine Summe von
180 Euro handeln. Für uns nicht vertretbar. Die Konsequenz dürfte das
Zuparken in den Straßen in der Nähe des Gymnasiums sein. In Ergänzung
hierzu möchte ich die Allgemeine Zeitung vom 24.November 2016 zitieren.
Darin wird Schulleiter Dr. Förster zitiert „die Art und Weise dieses
Vorgangs finde ich allerdings etwas unglücklich.“ Er habe im September
quasi ohne Vorwarnung von dem mittlerweile wieder eingestampften
Parkhausplan erfahren, das Thema habe schulintern mächtig Kreise
gezogen. „Man muss da eine vernünftige Kommunikation zwischen Kreis,
Stadt, Schule, Naturkindergarten und Anwohnern in die Wege leiten, auch
die Polizei gehört da mit ins Boot.“ Soweit Dr. Förster, dem wir uns nur
anschließen können.
Gut dagegen finden wir die Investitionen in die digitale Zukunft
unserer Schulen. Mit einem Gesamtvolumen von bis dato 1 Mio. Euro für
Infrastruktur, Access Points, Projektoren, Apple TVs etc. investiert der
Landkreis in einer in RLP einzigartigen Form. Dennoch – wo Licht ist,
ist auch Schatten. Fragen muss man sich in diesem Zusammenhang, ob
Bildungschancen an Kreisgrenzen enden. Denn was passiert mit Schülern
und Schülerinnen, die eben nicht im Landkreis zur Schule gehen, sondern
z.B. in der Stadt Mainz, den benachbarten Landkreisen Bad Kreuznach oder
Alzey-Worms. Wir reden immer wieder davon, dass die soziale Herkunft
von Kindern nicht über ihre Bildungschancen entscheiden darf. Gleiches
gilt für Kreisgrenzen, meine Damen und Herren. Hier müssen in der
Zukunft dringend neue Wege gegangen werden, die auf der politischen
Ebene breit diskutiert werden müssen.
Und nun zum Thema Förderschulen im Landkreis. Die FDP-Fraktion
bekennt sich ausdrücklich zum Bestand der Förderschulen. Ich freue mich
auch, dass – als Reaktion auf unseren Antrag im Oktober – nunmehr die
Förder- und Beratungszentren im Kreis auf den Weg kommen und wir im
Februar zwei pädagogische Konzepte für den Nord- und Südkreis
diskutieren werden. Für die Eltern bedeutet dies eine große Hilfe, denn
sie erhalten nunmehr Beratung, ob ihr Kind eine Förderschule oder
Schwerpunktschule besuchen soll.
Nach wie vor kritisch sehen wir, dass es in unserem reichen Landkreis
wie auch in der Vergangenheit eine hohe Zahl von Eltern gibt, die das
Mittagessen in der Ganztagsschule ihres Kindes nicht zahlen. Wir reden
hier nicht von Hartz IV-Empfängern, sondern von Eltern, die nicht
zahlen. 100.000 Euro kostet dies den Landkreis jedes Jahr.
Ich möchte mich nunmehr der Frage des Ausbaus der Infrastruktur
zuwenden. Wir vermissen einen Haushaltsansatz für eine Ersatzbrücke im
Bereich der K49 bei Budenheim. Auf unsere Anfrage bezüglich des
baulichen Zustandes der Brücke anworteten Sie im Frühjahr, „die Brücke
muss saniert werden, da ansonsten eine Instandsetzung nicht mehr
wirtschaftlich ist und das Bauwerk erneuert werden muss.“ Und weiter:
„Der LBM empfiehlt, mit den Planungen für die Instandsetzung zu
beginnen, damit die Brücke in den nächsten 5 bis 7 Jahren saniert werden
kann.“
Die K49 ist von großer Bedeutung für die Gemeinde Budenheim, da das
gesamte Industriegebiet und die Feuerwehr nur über diese Brücke mobil
sind.
Wir fordern deshalb als Anschubfinanzierung eine Summe von
150.000 Euro im Haushalt bereit zu stellen und unterstützen daher in der
Tendenz den gleichlautenden Antrag der CDU-Fraktion.
Wer über Infrastruktur redet, darf selbstverständlich nicht die
Diskussion um den Bau einer Rheinquerung aussparen. Wir haben nunmehr
fast 10.000 Bürgerstimmen gesammelt, mit dem Ziel eine
Machbarkeitsstudie über das Votum der Bürger auf den Weg zu bringen. Wir
werden Ihnen Herr Landrat Anfang Januar diese gesammelten Stimmen
übergeben. Die Menschen in der Region wollen eine Rheinquerung – das
Echo, das wir auf der Straße und auch schriftlich erhalten haben, ist
überwältigend. Die Menschen fühlen sich in dieser wichtigen Frage
mitgenommen – jenseits des Entscheids des Kreistages, eine
Aktualisierung der bereits vor Jahren in Auftrag gegebenen
Machbarkeitsstudie nicht durchzuführen. Und ich möchte hier abschließend
auch die AZ zitieren, die schreibt, dass die Frage Rheinquerung
möglicherweise die entscheidende Frage bei der Landratswahl
werden wird. Da helfen auch 150.000 Euro nicht weiter, die sie wieder
einmal zur Verbesserung der Taktung bei den Fähren in den Haushalt
eingestellt haben. Wir fordern Sie auf, machen Sie endlich Nägel mit
Köpfen, statt Querungen zu fördern, die nicht zukunftstragend sind.
Warten wir das Bürgerbegehren und einen Bürgerentscheid ab, danach haben
wir Klarheit, ob die Koalitions-Politik in diesem Landkreis weiter
gegen den Bürgerwillen agieren wird.
Wir freuen uns, dass der Oberbürgermeister von Ingelheim, Herr Claus,
der Stadtbürgermeister von Gau-Algesheim, Herr Faust, und der
Oberbürgermeister der Stadt Bingen, Thomas Feser, sich in einem
Schreiben an unseren Verkehrsminister, Herrn Wissing, gewandt haben, und
sich ausdrücklich für die Prüfung der Möglichkeiten für eine neue
Rheinbrücke einsetzen. Meine Damen und Herren von der Fraktion der
Grünen, ich habe den Eindruck dass Sie die letzten Blockierer in dieser
wichtigen Frage für unsere Region sind. Denken Sie darüber nach, ob Sie
es verantworten können, sich nicht hinter die Menschen in unserer Region
zu stellen.
Meine Damen und Herren, am 12.Mai 2016 unterzeichneten die Landräte
Claus Schick und Ernst Walter Görisch sowie die Oberbürgermeister
Michael Ebling und Michael Kissel eine wirtschaftspolitische Erklärung
„Rheinhessen 4.0“ im Rahmen eines Wirtschaftsforums Rheinhessen 200 in
Nieder-Olm. Die darin formulierten Ziele dienen der Weiterentwicklung
des Wirtschaftsraumes Rheinhessen – auch im internationalen Wettbewerb.
Unser Antrag zielt darauf ab, von einem einzelnen Wirtschaftsstandort in
Rheinhessen zur Wirtschaftsregion zu kommen. Um diese zu erreichen,
halten wir die Ausrichtung einer Wirtschaftskonferenz für geboten und
wollen dafür Euro 5.000 im Haushalt bereitstellen.
Rheinhessen 2016 war ein großer Erfolg. Eine Erfolgsgeschichte, die
nicht einfach so zu den Akten gelegt werden sollte. Um nur ein Beispiel
zu nennen, wurde der Merian Tourismusführer „Rheinhessen“ 120.000 Mal
verkauft und war damit der erfolgreichste Merian der letzten 5 Jahre.
Die FDP möchte diese Erfolgsgeschichte fortschreiben.
Wir wollen in den Haushalt Euro 10.000 bereitstellen und zwar für die
Jahre 2017 bis 2020 in Form einer Verpflichtungsermächtigung.
Infrastruktur, meine Damen und Herren, hängt heutzutage eng mit der
Frage des Breitbandausbaus zusammen. Breitbandausbau ist gut angelegte
Wirtschaftsförderung, gut ausgebaute Netze sind die Grundlage für
wirtschaftliche Prosperität. Wir haben zwar im Landkreis nur ca. 4% an
sogenannten weißen Flecken, dies sind aber hauptsächlich Gewerbeflächen,
so dass es hier Handlungsbedarf gibt. Das hier bereitgestellte Geld ist
sinnvoll eingesetzt und findet unsere volle Zustimmung.
Meine Damen und Herren, bereits beim Nachtrag hat sich die
Flüchtlingssituation haushalterisch niedergeschlagen. Der doppische
Haushalt bringt klar zum Ausdruck, dass sich das Kreisvermögen durch den
Ankauf von Wohnobjekten vergrößert hat. Zudem wurden 48 Wohnobjekte
angemietet und für finanzschwache Familien sieht der Haushalt
3 Mio. Euro für sozialen Wohnungsbau vor. Gut investiertes Geld, wie wir
meinen. Ein so reicher Landkreis, wie der unsrige, ist in der Lage die
menschliche Herausforderung des Flüchtlingselends zu meistern. Gut, dass
auch Gelder für die Kreisvolkshochschule für Integrations- und
Sprachkurse in Höhe von 500.000 Euro bereit gestellt werden.
Barrierefreiheit, meine Damen und Herren, ist in Zeiten der immer
älter werdenden Gesellschaft und damit verbunden der steigenden
Mobilitätseinschränkung, außerordentlich wichtig. Wir wollen deshalb den
Ansatz für den umzusetzenden barrierefreien Ausbau von Bushaltestellen
auf 100.000 Euro erhöhen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Ende kommen.
Wie bereits ausgeführt, sind wir mit diesem Haushalt gut aufgestellt.
Die von uns eingebrachten Anträge bitten wir zu unterstützen, damit wir
dem Haushalt uneingeschränkt unsere Zustimmung geben können.
Wir bedanken uns bei den Mitarbeitern der Verwaltung für die Erstellung des Zahlenwerks und wünschen frohe Weihnachten.
Vielen Dank.